Oberbürgermeisterwahl Reutlingen
3 Fragen an 3 Bürgermeisterkandidaten
Der AKO ist eine Bürgerinitiative in der Oststadt. Seit 2008 treffen sich in unserem Arbeitskreis anlassbezogen und in loser Folge Anwohner, Angestellte, Gewerbetreibende, Freiberufler und Eigentümer aus der Oststadt, um geeignete Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Stadtviertels und zur Erhaltung der Lebensqualität abzustimmen und bekannt zu machen.
Dazu hatten wir drei Fragen vorbereitet, zeigen die Antworten nachfolgend unkommentiert in der Reihenfolge ihres Eintreffens, bedanken uns bei allen Kandidaten sehr für ihre Antworten und möchten alle Leser dazu auffordern, am 24.02.2019 wählen zu gehen.
1. In der Vergangenheit haben wir immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass die Stadtverwaltung sehr einseitige Interessen verfolgte und Entscheidungen fällte, ohne Anwohner und Betroffene zu hören und einzubeziehen (Beispiele sind Rahmenplan Oststadt, Kulturmeile Planie, Parkraumbewirtschaftung Oststadt, Nutzung Heinzelmann-Areal).
Dazu Kandidatenfrage 1:
Wie wollen Sie es zukünftig mit der Transparenz von Verwaltungsentscheidungen halten?
Dr. Christian Schneider, CDU:
Ich möchte Politik nicht am Bedarf der Menschen vorbei machen. Der Kontakt zu den Initiativen in der Stadt ist mit daher wichtig. Ich werde großen Wert darauf legen, dass die Vorschläge der Initiativen im Entscheidungsprozess schriftlich abgebildet und argumentativ abgewogen werden. Mir ist wichtig, dass sich die Sichtweisen und Argumente in der Entscheidung wiederfinden und eine argumentative Auseinandersetzung stattfindet.
Dr. Carl-Gustav Kalbfell, FDP:
Die Verwaltung muss die Anwohner und die Gewerbetreibenden anhören, bevor sie Entscheidungen trifft. Als Oberbürgermeister würde ich aber nicht nur anhören, sondern den Bürgerinnen und Bürgern wirklich zuhören, ihre Argumente sorgfältig abwägen und erst dann entscheiden. Gerne zeige ich bei wichtigen Planungen als OB persönliche Präsenz und delegiere dies nicht auf städtische Mitarbeiter oder gar externe Büros.
Thomas Keck, SPD:
Das Vertrauen der Bürgerschaft ist für mich das wichtigste Element verlässlicher und zukunftsorientierter Stadtpolitik. Dazu gehört selbstverständlich die rechtzeitige Information – auch in sozialen Netzwerken – ebenso wie die Beteiligung der Bürgerschaft in Foren, Diskussionsrunden, Vor-Ort-Gesprächen und immer wieder neuen Foren, die abhängig sind von den Themen und Problemstellungen. Dies ersetzt jedoch nicht die Entscheidung, welche der Gemeinderat zu treffen hat. Als Chef der Verwaltung werde ich auch in strittigen Fragen dem Gemeinderat mutige Vorschläge für zukunftsgerichtete Beschlüsse vorlegen.
2. Oft sehen wir uns im Stadtteil mit populistischen Forderungen konfrontiert, Autoverkehr aus dem Viertel auszusperren, Zufahrtsbegrenzungen durchzusetzen und experimentelle Verkehrsberuhigungsmaßnahmen auszuführen. Unserer Ansicht nach lebt das Viertel aber vom Austausch zwischen Wohnen und Arbeiten, der guten Anbindung an das Umland und der Vielfalt der verschiedenen Gewerbe- und Berufsgruppen.
Daher Frage 2:
Was wollen Sie tun, um tragfähige Verkehrs- und Nutzungskonzepte zu entwickeln, die allen Betroffenen dienen?
Dr. Christian Schneider, CDU:
Wir brauchen einen guten Verkehrsmix, der nicht auf Verbote, sondern auf Anreize setzt. Ich will gute Angebote zur Erleichterung eines Umstiegs vom Auto setzen. Ganz wichtig ist dabei der bedarfsgerechte weitere Ausbau des ÖPNV und ein durchdachtes Radwegenetz.
Dr. Carl-Gustav Kalbfell, FDP:
In der Oststadt gibt es mehr Arbeitsplätze als beispielweise im Industriegebiet West. Deshalb sind nicht nur die Interessen der Bewohner, sondern auch die der Pendler und Kunden zu berücksichtigen. So halte ich die Widmung der Charlottenstraße zur Fahrradstraße für eine reine Alibi-Maßnahme, die weder den Interessen der Anlieger noch denen der Fahrradfahrer dient. Autoverkehr darf meiner Meinung nach nur aus den extra dafür ausgewiesenen Fußgängerzonen ausgesperrt werden; Lieferverkehr, Kundenverkehr und Anwohnerzufahrt muss überall möglich sei.
Thomas Keck, SPD:
Die Änderung der Mobilität ist ein Thema in der ganzen Stadt. In vielen Innenstadtvierteln warten die Menschen z.B. ungeduldig auf die Umsetzung der Parkraumbewirtschaftung, in den Bezirksgemeinden auf eine bessere und schnellere Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Die Interessen der Bürgerschaft sind dabei nicht einheitlich. Deshalb müssen im Widerstreit der Interessen Kompromisse gefunden werden. Dies bedarf vieler Gespräche und damit Überzeugungskraft. Für mutige Beschlüsse ist auch der Gemeinderat gefordert. Dafür werde ich nach Kräften kämpfen.
Ich will das seit Jahrzehnten überfällige Radwegekonzept in Reutlingen mit Vorrang entwickeln, den Fußgängern mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen und mit der konsequenten Weiterentwicklung des neuen Stadtbuskonzepts und der Regionalstadtbahn die nachhaltige Veränderung der Mobilität voranbringen. Bereits beschlossenes muss aber auch hinterfragt und ggfs. korrigiert, bzw. verbessert werden.
Die Fahrradstraße in der Charlottenstraße z.B. weist tatsächlich Mängel in der Akzeptanz und in der fehlenden Netzeinbindung auf. Damit sie eine Netzwirkung bekommt will ich den Radnetzausbau vorrangig behandeln. Zentral dabei ist auch die Sicherstellung der Finanzierung über die zweijährige Bundesfinanzierung als Modellstadt hinaus.
Die Aufarbeitung jahrzehntelanger Versäumnisse in der Verkehrspolitik braucht jedoch Zeit. Der vorhandene Verkehrsraum muss auch in Zukunft ausreichen, die Mobilität der Menschen zu sichern. Deshalb müssen wir uns daran machen, diesen Verkehrsraum sinnvoll und vor allem sicher aufzuteilen – für den Individualverkehr, Zulieferer- und Anliegerverkehr, den ÖPNV, den Fußgänger- und Radverkehr. Grundlage hierfür ist eine Verkehrskonzeption, die den Titel „ökologisch, zukunftsträchtig und nachhaltig“ verdient – aber sicher nicht jedem Individualinteresse gerecht werden kann.
3. Unsere Bürgerinitiative bemüht sich um sachliche Diskussion und ausgewogenes Streben nach Gemeinwohl. Häufig machen wir aber die Erfahrung, dass Parteibuch und Parole über den gemeinsamen Anstrengung steht, einen Ausgleich von verschiedenen Interessen zu erreichen und Offenheit für verschiedene Bedarfsgruppen im Viertel zu erhalten.
Unsere Frage 2:
Wie denken Sie über Bürgerbeteiligung und welche Anstrengungen wollen Sie unternehmen, um einen Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfsgruppen zu erreichen?
Dr. Christian Schneider, CDU:
Ich möchte ein Bürgeronlineportal und eine Bürgerwerkstatt einführen. Damit Bürgerbeteiligung gelingen kann, kommt es zunächst auf die Transparenz bei der Entscheidungsfindung an, und das in einem sehr frühen Stadium, in dem eben noch nichts feststeht. Alle Zahlen, Daten und Fakten zu großen und wichtigen Projekten müssen auf den Tisch. Sonst entsteht Politikverdrossenheit. Bürgerbeteiligung hat aber auch etwas mit dem Umgang der gewählten Vertreter zu tun: Ich möchte frühzeitig und offen auf alle Fraktionen zugehen und Dinge im Anfangsstadium beraten.
Dr. Carl-Gustav Kalbfell, FDP:
Als Oberbürgermeister würde ich einen ständigen Trialog zwischen Bürgerschaft, Gemeinderat und Verwaltung fördern. Alle Verwaltungsentscheidungen müssen umfassend transparent sein, damit sie das gegenseitige Vertrauen erhöhen. Weil Gemeinderat und Stadtverwaltung die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen haben, will ich durch Bürgermitwirkung eine bestmögliche Entscheidungsqualität sichern. Bei allem ist es mir wichtig, die Identifikation mit der Stadt und die Akzeptanz von kommunalpolitischen Entscheidungen zu steigern. Ich stehe für neue Formate der Bürgerbeteiligung wie „Reutlingen im Dialog“ in dem die Verwaltung wichtige Vorhaben unvoreingenommen erläutert, so dass alle Interessierten informiert werden und sich äußern können.
Thomas Keck, SPD:
Nur wer selbst von einer Zielvorstellung überzeugt ist, kann im Interesse der Sache daran gehen, Mehrheiten dafür zu schaffen.
Sie wissen, dass ich mit den Menschen auf Augenhöhe rede, mich informiere und austausche, bevor ich zu einer eigenen Meinung komme, die ich dann auch mit Nachdruck und Überzeugungskraft vertrete. Wichtig sind dabei auch Informationen und Kenntnisse im Umfeld von Problemstellungen, das Erkennen der Zusammenhänge und Folgen.
Mir kommt zugute, dass ich in Reutlingen aufgewachsen bin, seit vielen Jahren im Gemeinderat und Kreistag wirke und auch durch meine ehrenamtlichen Tätigkeiten über ein breites Netzwerk verfüge, auf dessen Informationsschatz ich vertrauen und zurückgreifen darf. Das gilt übrigens auch für die Bediensteten der Stadtverwaltung, die ebenfalls darauf vertrauen dürfen, dass ich über Hintergründe und Zusammenhänge im Allgemeinen bestens informiert bin. Dies sind wichtige Voraussetzungen, um im Einzelfall eine Entscheidung für sich selbst fällen und in der Folge im Interesse der Stadt durchsetzen zu können.